Ökonomische Szenarien – den großen Zusammenhang einfach darstellen

Posted by admin on Dezember 02, 2016
Kurzübersicht Solvency II

Für die meisten Versicherer liegt das größte Risiko in der zukünftigen Entwicklung der Kapitalmärkte. Aber vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Kapitalmarktes sind simple Modelle, welche einer überzeugenden Logik folgen, besser als sophistische Modelle, die durch eine perfekte Abbildung der Vergangenheit bestechen.

Die Kapitalmärkte hängen stark von der volkswirtschaftlichen Entwicklung ab – eine Abbildung dieser Abhängigkeit im Gesamtmodell ist wichtiger als der Detaillierungsgrad der Einzelmodelle. Erst die Betrachtung im Gesamtkontext erlaubt eine wirksame Risikosteuerung über Asset-Allokation, Duration und Produktion.

Betrachten wir zum Beispiel die Zinspapiere und Aktien: Die Preise aller Kapitalanlagen werden hauptsächlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Hinsichtlich der Zinspapiere kann als Angebot die Zinspapiere, als Nachfrage das anzulegende Vermögen und als resultierender Preis die reziproken Zinssätze gesehen werden. Das Angebot wird hauptsächlich durch die Konjunktur und die Staatsausgaben getrieben. Die Nachfrage wird andererseits durch das anzulegende Vermögen getrieben. Eine wachsende Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot hat zur Folge, dass die Zinssätze sinken. Zu einer Blasenbildung, also die Spekulation auf eine wachsendes Nachfrage und eine damit einhergehende wachsende Nachfrage, kann es im Rentenmarkt nicht kommen, weil mit zunehmender Nachfrage die Zinssätze gegen 0% konvergieren und damit auch die potentiellen Gewinnmargen immer wie kleiner werden. Bei den Aktien ist das dagegen nicht der Fall: Als Angebot können die Aktien, als Nachfrage das anzulegende Vermögen und als resultierender Preis die Aktienkurse gesehen werden. Wobei das Angebot an Aktien wiederum konjunkturabhängig ist. Eine wachsende Nachfrage bei gleichem Angebot hat zur Folge, dass die Aktienkurse steigen. Zu einer Blasenbildung kann es im Aktienmarkt erfahrungsgemäß kommen, weil mit einer wachsenden Nachfrage die Aktienkurse unbegrenzt steigen und damit auch die potentiellen Gewinnmargen größer werden. Zinssätze und Aktienkurse (bzw. Realwerte im Allgemeinen) folgen daher in der Regel der Konjunktur und dem anzulegenden Vermögen. Insbesondere durch Blasenbildung kann es jedoch zu Kapitalmarktkrisen kommen. In diesem Fall dreht sich die Reihenfolge: Zuerst tritt der Crash ein und danach folgt der konjunkturelle Einbruch.

Die dargestellte Logik erscheint zwar simpel, aber vor dem Hintergrund, dass sich der Kapitalmarkt grundlegend gewandelt hat, ist es besser, sich auf eine simple aber überzeugende Logik zu verlassen als auf sophistische Modelle, welche die verflossene Vergangenheit perfekt abbilden. Denn eine Anpassung von Modellen an nicht (mehr) repräsentative Daten führt zu einem falschen Glauben an die Zahlen und somit in die Irre.

Der Wandel im Kapitalmarkt ebenfalls auf die Ökonomie zurückzuführen. Ursache ist der demografische Wandel. Wir befinden uns in Alterungsphase. Viel angesammeltem Vermögen steht eine abnehmende Beschäftigtenzahl sowie ein abnehmender Konsum und somit eine nachlassende Wirtschaftsleistung gegenüber. Das wirkt sich entsprechend der vorher dargestellten Logik negativ auf die Zinssätze und positiv auf Kurse von Realwerten aus. Als gutes Beispiel lässt sich das Japan-Szenario, also eine lang anhaltende Niedrigzinsphase, durch den demografischen Wandel erklären: Seit den 1990er Jahren steigt der Anteil der Japaner über 65 Jahre stark an. Mittlerweile sind mehr als 25% aller Japaner über 65 Jahre alt. Außerdem besitzt die Generation 50plus in Japan etwa 80 Prozent des gesamten persönlichen Finanzvermögens.[1] Ebenso wie die Japaner müssen wir uns langfristig auf niedrige Zinssätze einstellen. Denn der demografische Wandel steht fest und kann durch Konjunkturmaßnahmen und/oder erhöhte Staatsausgaben nicht kompensiert werden.

Das beste Modell hilft jedoch dem Unternehmen langfristig nichts, wenn es von den Entscheidern nicht antizipiert wird. Man kann sich zwar mit einem passenden Modell vor der Aufsicht und der Öffentlichkeit kurzfristig gut rechnen, wenn aber dessen Warnsignale nicht begriffen werden, dann wird die Chance zu einer rechtzeitigen Gegensteuerung verpasst und man steht langfristig schlecht da.

Mit den Kapitalmarktmodellen und dem veränderten Kapitalmarkt verhält es sich wie mit den Klimamodellen und dem Klimawandel: Wenn wir den Klimawandel nicht begreifen werden wir wörtlich untergehen. Ein Unternehmen was den Wandel der Kapitalmärkte nicht begreift wird ebenfalls untergehen. Jedoch hilft es nicht, wenn die Naturwissenschaftler in der Fachwelt oder die Spezialisten vor der Aufsicht glänzen. Beide müssen die Entscheider erreichen. Insbesondere hilft es nicht, fachlich gesehen immer bessere Modelle zu entwickeln. Denn es reicht nicht aus, dass die Unternehmensleitung den Zahlen glaubt und diese abnickt. Die Leitung muss die Zusammenhänge begreifen und danach steuern.


[1] Florian Kohlbacher: „Bevölkerungsentwicklung in Japan: Fokus Märkte“, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2010

PDF: rorisk_oekonomische-szenarien

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