Solvency II – eine erste Zwischenbilanz

Posted by admin on November 10, 2016
Solvency II

Solvency II belastet mit der Quantitativen Berichterstattung und mit dem ORSA die Kapazitäten in den Fachbereichen der Versicherungen. Solvency II gefährdet aber auch die Reputation der Versicherer, falls sie eine Unterdeckung berichten müssen. Deshalb stellt für viele die Steuerung der Solvenzquote eine zwingende Notwendigkeit dar. Für eine wirksame Steuerung braucht es jedoch wiederum Kapazitäten in den Fachbereichen – eine verzwackte Situation.

Belastung Fachbereiche drückt auf Qualität Solvency II-Kennzahlen

Vor allem die quantitative Berichterstattung, aber auch der ORSA stellen eine erhebliche Last für die Versicherer dar. Insbesondere muss im Rahmen der Berichterstattung vierteljährlich ein fast close durchgeführt und im Rahmen des ORSA für jedes Szenario eine neue Planungsrechnung erstellt werden. Dafür fehlt den Versicherern jedoch die Routine, denn Solvency II ist relativ neu und noch immer im Fluss. Was hat das zur Konsequenz?

Wertvolle Ressourcen werden in den Fachbereichen gebunden. Die quantitative Berichterstattung und der ORSA betreffen nicht nur das Risikomanagement, sondern auch andere zentrale Funktionen wie das Rechnungswesen, das Kapitalanlagenmanagement, das Controlling und die Aktuariate. Dort sind es meistens Spezialisten, welche die Solvency II-Aufgaben erledigen. Aufgrund der Verbindlichkeit von Solvency II müssen die Funktionen bzw. Spezialisten die Solvency II-Aufgaben vorziehen und wiederum andere, unter Umständen ökonomisch wichtige Aufgaben liegen lassen.

Die Ergebnisse sind noch nicht stabil. Der hohe Zeitdruck und die knappen personellen Ressourcen wirken sich in der Regel auf die Qualität der Ergebnisse aus. Für qualitätssichernde Maßnahmen bleibt jedoch kaum Zeit, da die betroffenen Funktionen bzw. Spezialisten ihre ursprünglichen Aufgaben weiterhin erledigen müssen. Außerdem ist es müßig, heute etwas zu prüfen was bei dem nächsten Durchlauf schon wieder anders erhoben oder gerechnet wird.

Belastbarkeit und Steuerung Solvenzquote wird zum Muss bzw. zur Notwendigkeit

Entsprechend den ersten an die BaFin berichteten Solvenzquoten weisen drei deutsche Lebensversicherer eine Unterdeckung auf. Prompt wollen die Makler deren Namen wissen, um von ihnen Abstand nehmen zu können. Was bedeutet das grundsätzlich für die Versicherer?

Auf die Belastbarkeit der Solvenzquote wird ein großes Augenmerk gelegt. Dem steht jedoch entgegen, dass es in den der Quote zugrunde liegenden Bewertungen große Gestaltungsspielräume gibt, dass die Prozesse zur Ermittlung der Quote intern und extern bedingt noch nicht stabil verlaufen und dass außerdem die Quote selbst marktbedingt sehr volatil ausfällt. Das trifft insbesondere auf die Lebensversicherer zu. Eine Schlüsselstelle bildet hierbei das Branchensimulationsmodell (BSM) zur Bewertung von Versicherungsvertragsoptionen. Bei dem BSM handelt es sich im Prinzip um ein internes Modell mit all seinen Gestaltungsspielräumen, aber auch seinen hohen technischen und fachlichen Anforderungen. Zum Glück wird das BSM formal als Bewertungsinstrument gesehen und muss somit nicht zertifiziert werden. Aber wie lange dauert noch dieses Glück?

Die Steuerung der Solvenzquote wird für viele Versicherer zur Notwendigkeit. Eine wirksame Steuerung der Quote ist jedoch nur über die Planung möglich. Hier steht die Geschäftsleitung vor der Herausforderung, die Solvency II-Sicht in ihre Unternehmenssteuerung zu integrieren. Dabei hat sie berechtigte Zweifel, die Steuerung auf noch wenig belastbare Solvency II-Kennzahlen abzustellen. Außerdem stehen die Fachbereiche vor dem Problem, die Zulieferung von Solvency II-Daten und die Berechnungen von Solvenzquoten in den Planungsprozess einzuflechten. Angesichts der erheblichen Last, die im Moment auf den Fachbereichen liegt, scheint das gegenwärtig eine unlösbare Aufgabe zu sein.

Steuerung Solvenzquote trotz Qualitätsprobleme und Belastung möglich

Eine Steuerung der Solvenzquote ist unter instabilen Solvency II-Kennzahlen trotzdem möglich. Dazu wird im ORSA in einer Rückschau auf die Zahlen der Quantitativen Berichterstattung der Zusammenhang zwischen den HGB-Bilanzgrößen und den Schwankungen der ökonomischen Eigenmittel und Solvenzkapitalanforderungen untersucht. Mit enthalten sind darin auch Schwankungen, welche auf die Berechnungsprozesse zurückgehen – das Problem mit der Stabilität der Solvency II-Kennzahlen wird somit eingepreist. Als Ergebnis kann den HGB-Bilanzgrößen ein möglicher Eigenmittelverzehr sowie ein mögliche Zunahme der Solvenzkapitalanforderungen zugeordnet werden. Die HGB-Größen müssen im Anschluss an den ORSA so geplant werden, dass unter einem möglichen Verzehr von Eigenmitteln und Zunahme von Solvenzkapitalanforderungen eine Überdeckung gewährleistet bleibt.

Eine Implementierung der Steuerung ist auch mit relativ wenig Aufwand möglich, wenn man dabei top down vorgeht. Die im ORSA betrachteten Kennzahlen werden nur soweit wie nötig heruntergebrochen. Ist die gegenwärtige Überdeckung und damit der Steuerungsspielraum groß, dann kann auch grob gerechnet werden. Wird der Spielraum jedoch enger, dann muss auch präziser gesteuert, also die Kennzahlen tiefer herunter gebrochen werden. Für die Lebensversicherer reicht es bspw. in der Regel aus, bei den Solvenzkapitalanforderungen zwischen dem Zins Up- und Zins Down-Schock und entsprechend bei den Kapitalanlagen zwischen den Anlageklassen zu unterschieden.

Optimierung und Qualitätssicherung durch Kaizen für Solvency II-Spezialisten…

Auch wenn die Steuerung unter instabilen Solvency II-Kennzahlen möglich ist. In der Quantitativen Berichterstattung müssen die Zahlen stimmen. Dafür scheinen die verschiedenen Systeme, welche gegenwärtig zur Bewältigung der Solvency II-Aufgaben angeboten werden, Abhilfe zu schaffen. Leider ist dem nicht so, denn die Berechnungen sind oft so speziell, dass sie entweder in den Systemen nicht abgebildet oder die Systeme erst noch entsprechend zu konfigurieren sind. Auch hier gilt, was heute abbilden bzw. konfigurieren was sich bei dem nächsten Durchlauf schon wieder ändert? Die Funktionen bzw. Spezialisten werden mit der Bewältigung der Solvency II-Aufgaben noch lange auf sich alleine gestellt sein. Was es deshalb zusätzlich zu einer Systemunterstützung braucht, ist die Spezialisten im Sinne von Kaizen zu befähigen, ihre Arbeit selbst zu optimieren und qualitätszusichern.

…und ein BSM-light

Auch wenn die Versicherer es schaffen, ihre Solvency II-Prozesse sicher zu machen, bildet das BSM eine offene Flanke für die Lebensversicherer. Für die meisten Unternehmen ist das BSM zu aufwendig, als dass sie es angemessen pflegen können. Hier steht der GDV in der Pflicht, seinen Mitgliedern eine vereinfachte und vor allem pflegeleichte Alternative zur Verfügung zu stellen.


PDF: RoRisk_Solvency-II-Zwischenbilanz

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